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Trotz mehr Geld kein Zuwachs bei Bewerberzahlen
„Geld pflegt nicht“, zieht Silke Gerling vom Diakoniewerk Essen und Sprecherin der Ruhrgebietskonferenz-Pflege ein ernüchterndes Fazit der jüngsten Gehaltsentwicklung und ergänzt: „Wir sehen keinerlei Zuwachs bei den Bewerberzahlen. Der einzig feststellbare Effekt ist eine Kostensteigerung von gut 16 % bei den Eigenanteilen in der stationären Pflege in Essen, die aktuell ausschließlich von den Betroffenen und der Stadt als Träger der Sozialhilfe gestemmt werden müssen.“

Die Ruhrgebietskonferenz rechnet vor: “Eine examinierte Altenpflegekraft mit dreijähriger Ausbildung verdiente nach Tarif als Berufseinsteigerin im öffentlichen Dienst Anfang 2023 2.932,41 Euro monatlich brutto. Nach dem Tarifabschluss Anfang des Jahres erhielt sie oder er rückwirkend ab 1. Januar 2023 bis 30. Juni 2023 1.240 Euro netto Inflationsausgleichsgeld und vom Juli 2023 bis Februar 2024 monatlich 220 Euro netto mehr. Ab dem 1. März 2024 steigt das monatliche Bruttogehalt auf 3.304,69 Euro. Das sind dann 12,7 Prozent und 327,54 Euro mehr. Pflege-Azubis sind in Sachen Vergütung Spitzenreiter im Branchenvergleich. Rund 1.200 Euro pro Monat verdienen sie im ersten Lehrjahr. Da können lediglich die privaten Banken mit Mühe mithalten. Im kommenden Jahr kommen noch einmal 150 Euro dazu.”
Die Ausbildungszahlen geben aber ein anderes Bild ab. Das statistische Bundesamt meldet für das Jahr 2022 erstmals einen Rückgang der besetzten Ausbildungsplätze in der Pflege um rund 7 Prozent. “Manche Pflegeschulen melden aktuell sogar einen Bewerberrückgang von fast 30 Prozent“, heißt es in einer Pressemitteilung der Ruhrgebietskonferenz.
Für Ulrich Christofczik, Vorstand des Christophoruswerkes und der Evangelischen Altenhilfe in Duisburg hat sich gezeigt, „dass über Gehaltssteigerungen Image und Attraktivität der Pflege nicht verbessert werden können. Es ist gut, dass Pflegekräfte jetzt mehr verdienen, aber um die Attraktivität zu verbessern, braucht Deutschland einen neuen gesellschaftlichen Umgang mit der Pflege und eine grundlegende Neuausrichtung der Pflegepolitik.“
Thomas Eisenreich – vom bundesweit tätigen Betreuungsdienstleister Home Instead – macht sich deshalb schon länger als Sprecher der Ruhrgebietskonferenz-Pflege für die Einführung eines persönlichen Pflege- und Betreuungsbudgets stark, das nicht aus einem unübersichtlichen Kostenträger-Mix gespeist wird. Außerdem fordert er mehr Freiraum für individuelle unternehmerische Lösungen: „Statt Verordnungen und Gesetze braucht es die Möglichkeit, regional und zielgruppenspezifisch neue Ansätze zu probieren und zu etablieren, ohne permanentes Anecken an den ordnungsrechtlichen, baurechtlichen und sonstigen Vorgaben. Wir sollten mehr Wagnis wagen und auf die Kompetenzen der Träger vertrauen.“
Roland Weigel fordert so etwas wie eine „Zeitwende“ für die Pflege: „Um die Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege attraktiver zu machen, brauchen wir einen Innovations- und Investitionsfond, mit dem moderne Technik und klimafreundliche – und damit hitzeresiliente – Arbeits- und Wohnorte realisiert werden können.“ Silke Gerling ergänzt abschließend den Kanon der Vorschläge und Forderungen der Ruhrgebietskonferenz-Pflege: „Gesundheit und Pflege sollten stärker in den Schulen präsent gemacht werden und nicht zuletzt brauchen wir einen systematisch unterstützten Zuzug von ausländischen Arbeitskräften in das Berufsfeld Pflege.“
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