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Drunter geht’s nicht!

Derweil führen Leistungserbringer und Leistungsträger weiterhin zähe Verhandlungen. Oftmals geht es um die Anerkennung einer Vielzahl von notwendigen Ausgaben, die

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Derweil führen Leistungserbringer und Leistungsträger weiterhin zähe Verhandlungen. Oftmals geht es um die Anerkennung einer Vielzahl von notwendigen Ausgaben, die ambulante Pflegedienste schultern müssen, z.B. für die Qualifizierung der Mitarbeiter, für die Suche nach Fachpersonal, für dessen adäquate Bezahlung, für ein selbstbestimmtes Leben der Klienten. Die Kassen erklären sich für nicht zuständig, und außerdem sei der geforderte Preis zu hoch.

Obwohl diese Ausgaben klar nachgewiesen werden und Qualität nun einfach ihren Preis hat, gibt es immer irgendeinen anderen Anbieter, der für seine Dienstleistung in der außerklinischen Intensivpflege weniger verlangt. Wissend, dass man für einen so niedrigen Preis keine hohe Qualität erwarten kann, schließen die Krankenkassen dennoch Verträge mit diesen Billiganbietern ab. Und ihnen werden dann schwerstkranke Menschen anvertraut! Um trotz des niedrigen Preises Gewinne zu machen, fährt man dann obskure Versorgungsmodelle wie z.B. Pseudo-Wohngemeinschaften, Versorgungsformen mit Heimcharakter, die aber als ambulante Pflege abgerechnet werden. Wenn dann solche Unternehmen auffliegen oder wenn Politiker so etwas bei ihren Touren durch diverse Pflegeeinrichtungen und -modelle sehen, sind sie schockiert. So wurde bei der Entscheiderkonferenz tatsächlich gesagt, die 1:1-Versorgung von intensivpflegebedürftigen Menschen hätte bei solchen Besuchen besonders schlecht abgeschnitten. Dass es solch miserablen Versorgungen gibt, empört uns alle.

Es geht hier nicht um einseitige Schuldzuweisungen. In einem System, in dem alles nur noch auf das Monetäre ausgerichtet wird, bleibt notgedrungen das Menschliche auf der Strecke. Schwarzen Schafen in der Branche geht es nur um Geld, und dafür nutzen sie die Notlage schwerstkranker Menschen skrupellos aus. Damit haben sie unsere Branche schwer beschädigt. Jeder, der es mit der Pflege von Menschen ernst meint und der sich für Menschenrechte einsetzt, möchte diesen Unternehmen das Handwerk legen. Da sind wir uns mit der Politik einig.

Aber, und das wurde bei der Konferenz auch deutlich, wir ziehen andere Schlüsse als die Politik daraus. Aus unserem engen Kontakt mit den Betroffenen und ihren pflegenden Angehörigen, mit relativ selbständig lebenden Menschen mit Beatmung, mit Eltern schwerstkranker Kleinkinder und Kinder wissen wir, dass die Unterbringung in einer stationären Einrichtung keine Lösung ist. Im Gegenteil. Zur Lebensqualität gehört es, nach vielen Klinikaufenthalten, ein Leben mit möglichst großer Privatsphäre und Selbstbestimmung führen zu können. Die außerklinische Intensivversorgung war ja gerade dem Wunsch vieler Menschen entsprungen, endlich die Kliniken und stationären Einrichtungen verlassen zu können!

"Politik trifft Außerklinische Intensivpflege" – so etwas gab es in den letzten Jahrzehnten kaum. Die Diskussionsrunde mit der Politik war deshalb überfällig und muss fortgesetzt werden. Ja, es gab Gemeinsamkeiten, wie z.B. die Skepsis, ob man Missstände tatsächlich "wegkontrollieren" kann und dass es ohne eine adäquate Bezahlung der Pflegenden nicht geht. Es ist höchste Zeit, dass wir der Politik zeigen, was gute Pflege ist und was bei guter Intensivpflege für die Menschen, trotz schwerster Beeinträchtigungen, möglich ist. Und es gilt zu zeigen, welch engagierte Menschen diese Pflege tagtäglich leisten.

Und daran gilt es nach dieser "Entscheider-Konferenz Außerklinische Intensivpflege" weiter zu arbeiten:

  1. Jede Versorgung ist individuell, jeder Klient ist anders. Deshalb sollte die Diagnose eines Klienten bei der Vergütungsverhandlung und beim Personalschlüssel berücksichtigt werden.
  2. Jedes Unternehmen ist anders. Deshalb müssen Besonderheiten wie Struktur, Anzahl der 1:1-Versorgungen, Wohngemeinschaften (mit wie viel Bewohnern!), Besonderheiten bei den Klienten, ländlicher oder städtischer Bereich (in welchem Bundesland) etc. in die Berechnungsgrundlage einfließen.
  3. Da die außerklinische Intensivversorgung längst nicht mehr ein "Nischendasein" führt, sollte sie von Grund auf neu geregelt werden. Ideal wäre eine Verortung im SGB V. 

Die Branche muss sich formieren und verdeutlichen, dass unter einem bestimmten Preislevel eine qualitativ gute Versorgung unmöglich ist. "Drunter geht’s nicht!", unter diesem Motto müssen sich die Anbieter außerklinischer Intensivversorgung solidarisieren. Nur dann kann die Preisabwärtsspirale gestoppt werden. Ohne gemeinsames Handeln ist die außerklinische Intensivversorgung ernsthaft in Gefahr. Denn noch immer steht unwidersprochen die Feststellung von Karl-Josef Laumann, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung, im Raum: "Ich glaube, dass die Intensivpflege nicht in Privatwohnung gehört".