Häusliche Pflege-Blog
New Work – New Leadership
Worum es bei New Work geht und was für Ihr Pflege-Unternehmen wichtig ist!
Selbststeuernde Teams, flache Hierarchien, agile Unternehmen, Disruption, VUKA-Welt, New Work, selbststeuernde Teams. Diesen Schlagwörtern begegnen wir seit einiger Zeit inflationär. Immer geht es darum, Führung, Management und Organisationsformen zu verändern.
DATEV macht es, Bosch und Heiligenfeld auch, Gore-Tex schon seit 30 Jahren und Buurtzorg sowieso.
„Wir wollen selbststeuernde Teams probieren!“
„Wir wollen selbststeuernde Teams in einem neuen Pflegedienst. Bei den Bestehenden geht das nicht!“
„Wir wollen eine sinnstiftende Organisation werden!“
Zu diesen Anforderungen bin ich im letzten Jahr angefragt worden.
Entgegen meiner sonst so positiven Natur reagierte ich in allen Fällen eher skeptisch. Einige Pflegeunternehmen in Deutschland sind nämlich dabei selbststeuernde Teams einzuführen und stoßen dabei an ihre Grenzen.

Warum?
Weil es nicht damit getan ist, von oben zu entscheiden das Organigramm zu verändern, digitale Tools zu implementieren oder agile Tools wie Scrum, Slack oder Design Thinking einzuführen. Mehr Eigenverantwortung kann nicht verordnet werden. Hierbei handelt es sich um einen organisationalen Kulturwandel und dieser ist nicht von heute auf morgen auf allen Ebenen eines Pflegeunternehmens zu schaffen.
Woher kommt der Wunsch nach einer anderen Organisationsform?
Natürlich fragen sich viele Manager*innen von Pflegeunternehmen, wie Buurtzorg in den Niederlanden es geschafft hat, solch eine Erfolgsstory hinzulegen:
- Bester Arbeitgeber seit Jahren,
- Mindesgewinnmarge von 4%,
- niedrige Krankheitsquote,
- mehrere hundert Initiativbewerbungen pro Monat!
Ja, manche Rahmenbedingungen sind im Nachbarland anders als in Deutschland, doch die Situation der Pflegebedürftigen, die Sorgen der An- und Zugehörigen als auch die Kompetenzen der Pflegenden sind vergleichbar. Die positiven Auswirkungen der selbststeuernden Buurtzorg-Teams wünschen sich viele Pflegeunternehmen auch hier!
Unsere VUKA-Welt
Neben dem, manchmal neidischen, Blick auf unser Nachbarland realisieren viele Unternehmenslenker von Pflegeunternehmen, dass sich die Arbeitswelt verändert. Wir leben in einer VUKA-Welt. VUKA ist ein Kurzwort, das sich aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter bildet: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambivalenz/Ambiguität. (Eine ausführlichere Beschreibung dieser Begriffe finden Sie am Ende des Textes!)
Kurzum: Unsere Arbeitswelt ist und wird noch komplizierter, schneller, unsicherer und unvorhersehbarer und führt in manchen Branchen zu disruptiven Entwicklungen.
Disruption
Eine Disruption verdrängt bestehende Technologien, Produkte oder Dienstleistungen vollständig. Wir alle kennen die Beispiele von Kodak, Nokia, Yahoo und Nekkermann! Andere Branchen, wie zum Beispiel die Automobilindustrie, stehen kurz vor einer Disruption, die aus meiner Sicht mit der Produktion von E-Autos nicht abgewendet werden kann.
Ambulante, teilstationäre und stationäre Pflege wird es auch in Zukunft geben. Dessen bin ich mir sicher. Wird die Pflege auch so aussehen wie heute? Das glaube ich nicht! Es geht also weniger um Disruption sondern eher um Innovation!
Um den Veränderungen, die die Digitalisierung, gesetzliche und marktwirtschaftliche Veränderungen, demografische Entwicklung, die anspruchsvolleren Bedürfnisse von Pflegebedürftigen, Angehörigen und Mitarbeitenden mit sich bringt, gewachsen zu sein, braucht es dringend agilere Organisationsstrukturen.
Agile Pflegeunternehmen
Mit Agilität wird die Fähigkeit eines Unternehmens bezeichnet, sich an eine komplexe und turbulente Umwelt anzupassen. Ziel ist es, schneller und flexibler in den Bereichen Kundenfokussierung, Entscheidungsfindung, Information und Kommunikation intern und nach außen, Verantwortungsübernahme und Innovation zu werden.
In der Pflegelandschaft bedeutet das insbesondere den Fokus darauf zu legen, Mitarbeitende für das Unternehmen zu begeistern und einen Rahmen zu schaffen, in dem sie sich gerne für die Ziele des Unternehmens einsetzen.
Viele bestehende große Pflegeunternehmen sind zu schwerfällig und zu langsam mit ihren hierarchisch geprägten Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen. Damit einher geht oft eine Führungskultur, die von Anweisungen, Kontrolle und Informationsbegrenzung geprägt ist.
In diesem Sinne bedeutet New Work auf der Prozessebene eine agilere Denk- und Arbeitsweise, die im gesamten Organisationskontext verankert ist.
Das hört sich einerseits sehr komplex an, auf der anderen Seite sind die oben genannten Bereiche auch keine Unbekannten. Das ist die gute Nachricht beim Thema Agilität. Die meisten Methoden sind bekannt. Sie müssen nur gewollt (Kultur, Haltung, Werte) und angewendet werden.
Ob sich Teams selbst steuern wollen, sollen und können, diese Entscheidung steht erst an, wenn Vorstand bzw. Geschäftsführung sich klar für eine agilere Haltung commited haben, die Organisationskultur analysiert und eine zum Unternehmen passende Strategie entwickelt wurde.
Vorstand und Geschäftsführung müssen beginnen
Entscheidend für eine Veränderung in Richtung einer agileren Organisation ist die Führungs- und Unternehmenskultur. Die gelebte Kultur findet sich nicht in schön formulierten Leitbildern. Sie ist erfahrbar im Umgang mit den Menschen, die in einer Organisation arbeiten. In fast allen Pflegeunternehmen, die ich kenne, existieren sogar unterschiedliche Teamkulturen nebeneinander.
Selbst-Check
Prüfen Sie einmal selbst, wie Sie die bei Ihnen gelebte Unternehmenskultur empfinden. Entscheiden Sie bei den folgenden Kriterien auf einer Skala von 0 (= gibt es bei uns nicht) und 10 (= das gilt bei uns).
- Detaillierte Vorgabe der Arbeitsmethode
- Exakte Fixierung des Leistungsortes und des Leistungszeitpunktes
- Extrem detaillierte und zerlegte Arbeitsaufgaben
- Einwegkommunikation mit festgelegten und engen Inhalten
- Detaillierte Zielvorgaben bei für den Einzelnen nicht erkennbarem Zusammenhang zum Unternehmensziel
- Externe (Qualitäts-)Kontrolle
- Prozesse sind wichtiger als Individuen und Interaktion
- Dokumentation ist wichtiger als die Zusammenarbeit mit Pflegekunden und Angehörigen
- Das Befolgen eines Plans ist wichtiger als das Reagieren auf Veränderungen
Überprüfen Sie bitte, warum Sie bei den einzelnen Kriterien so entschieden haben. Eher weil es eben so ist oder sein muss, oder eher, weil es unterschiedliche Anwendungsfälle gibt? Und wenn es unterschiedliche Anwendungsfälle gibt, sind die dann die Norm oder die Ausnahme?
Feedback einholen
Was glauben andere, wie Sie entschieden haben?
Selbstbild und Fremdbild weichen zuweilen voneinander ab. Schon der bekannte Psychologe C. G. Jung sagte, dass wir andere brauchen, um uns selbst kennenzulernen. Daher ist ein wichtiges Element der agilen Arbeitsweise, dass die Menschen im Unternehmen sich ein konstruktives Feedback geben (lassen) und dieses in zielführende Handlungen überleiten können.
Fragen Sie jetzt also bitte Menschen in Ihrem (Führungs-)Umfeld, was diese glauben, wie Sie bei den Kriterien entschieden haben. Danach bitten Sie um deren Einschätzung zum Pflegeunternehmen. Wenn Sie dann gemeinsam darüber diskutieren, was Ihr Unternehmen braucht, um einen Punktwert in Richtung 0 zu kommen, dann haben Sie schon den ersten Schritt in Richtung Organisationsanalyse getan!
Lassen Sie sich inspirieren
Folgende Bücher inspirieren mich, zum Teil schon seit Jahren, zum Thema wie wir es schaffen wirklich auf Augenhöhe miteinander sinnstiftend und gleichzeitig wirtschaftlich zu arbeiten (lassen Sie sich von den englischen Titeln nicht in die Irre leiten. Alle Bücher sind auf deutsch):
- Appreciative Inquiry – Der Weg zu Spitzenleistungen
- Real Time Strategic Chance – Schneller Wandel in großen Gruppen
- Reinventing Organization – Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit (beide Varianten)
- Das agile Mindset – Mitarbeiter entwickeln, Zukunft der Arbeit gestalten
- Agiler führen – Einfache Maßnahmen für bessere Teamarbeit, mehr Leistung und höhere Kreativität
Wenn Sie JETZT schneller mehr über agile Organisationen und agiles Führen wissen wollen, dann kaufen Sie sich die beiden letztgenannten Bücher. Sie sind als Hardcover-Buch und PDF-Datei erhältlich.
Wie entscheiden Sie?
- Kaufen Sie die Hardcover-Varianten, weil Sie sich selbst erst einmal einen Überblick verschaffen wollen bevor Sie die Führungsmannschaft um sich herum verrückt machen?
- Checken Sie online das Inhaltsverzeichnis und die Einleitung und entscheiden sich dann für die PDF-Variante. Vielleicht sogar in ausreichender Anzahl, damit Ihr (Führungs-)Umfeld sich ebenfalls, parallel zu Ihnen, mit diesen Themen befassen kann?
Wenn Sie sich für die zweite Variante entscheiden haben, mit welcher Aufforderung, Bitte oder Anweisung geben Sie die PDF-Dateien weiter?
Sie merken, ich arbeite mit offenen Fragen, die Sie zum Nachdenken anregen können. Erkundendes Fragen statt Anweisungen geben ist ebenfalls, wie Feedbackfähigkeit, ein zentrales Führungselement für agiles Arbeiten. Es basiert auf der Grundhaltung, dass jeder Mensch, jedes Team und jede Organisation ein ungeahnt hohes Potenzial in sich trägt und Sie keinen Externen brauchen, der Ihnen sagt, wie was geht.*
Vorausgesetzt Sie holen sich die Meinungen von Menschen ein, die in Schlüsselpositionen ihres Unternehmens arbeiten und nutzen die Kraft, das Wissen und die Energie Ihrer Mitarbeitenden, die am besten sagen können, was in ihrem direkten Umfeld lähmt oder beflügelt.
Wenn Sie Lust darauf haben, weitere Gedanken zum Thema New Work mit mir zu teilen, dann bleiben Sie gespannt.
Ihre Claudia Henrichs
*Der Austausch mit Sparringspartner*innen und Menschen, die auf einer ähnlichen Reise sind, wie Sie ist natürlich extrem wertvoll.
Begriffsklärung VUKA-Welt
Volatilität umfasst alle sprunghaften, schwer vorauszusehenden Veränderungen, die ein Markt oder ein Unternehmen betrifft. Im Pflegeumfeld kann das die fortschreitende Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, die Auswirkungen der demografischen Entwicklung und des Personalmangels sein.
Unsicherheit: Regeln, Gesetzmäßigkeiten und Erkenntnisse, die früher einmal galten, sind plötzlich veraltet. Im Pflegeumfeld betrifft das zum Beispiel die neue generalisierte Ausbildung, die Tendenz, die Länderhoheit zu schwächen oder die Anforderungen der jüngeren Generation an Führung und Live Balance. Marktumfelder sind immer schwerer zu durchschauen. Langfristige Planungen und Strategien sind kaum möglich, Zukunftsfragen schwer zu beantworten, Entscheidungen kaum gesichert zu treffen, Wechselwirkungen von Entscheidungen sind nicht vorhersehbar.
Komplexität: Aufgrund neuer gesetzlicher Bestimmungen, der Digitalisierung von Prozessen und der unterschiedlichen Bedürfnisse von Mitarbeitenden, die sich in unterschiedlichen Lebensphasen befinden, werden Prozesse komplizierter. Viele Dinge sind miteinander vernetzt und vielschichtig, so dass sie wenig durchschaubar erscheinen.
Ambivalenz/Ambiguität. Diese beiden Begriffe stehen für Mehrdeutigkeit. Einfache Erklärungen greifen nicht, da Sachverhalte auf vielfache Weise interpretiert werden können. Teilweise muss mit Widersprüchen und Paradoxien gerechnet werden. Zum Beispiel wünschen sich viele Mitarbeitende mehr Verantwortung, sind damit aber gleichzeitig überfordert. Oder das Management strebt danach, eine sinnstiftende Organisation zu werden, fährt allerdings einen Kommunikationskurs, der streng Top Down geregelt ist. Oder im Leitbild findet sich ein Passus zu Wohlfahrt bzw. Nächstenliebe und wenige Absätze später wird wirtschaftliches Handeln gefordert. Alle Positionen sind nachvollziehbar, keine kann als richtig oder falsch bezeichnet werden. Es gibt kaum noch eindeutige Lösungen für ein bestehendes Problem.
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