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Sind 9% Umsatzrendite zu wenig bei einem Pflege- und Betreuungsdienst?

Beispiel GmbH Die Pflege- und Betreuungsdienst ABC GmbH weist folgende Daten auf. 100 Patienten mit 800.000 € Umsatz im Jahr

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Beispiel GmbH

Die Pflege- und Betreuungsdienst ABC GmbH weist folgende Daten auf.

100 Patienten mit 800.000 € Umsatz im Jahr 2016 Personalkosten in Höhe von 620.000 € und Sachkosten von 120.000 € = Gesamtkosten von 740.000 €. Die Personalkosten für die Tätigkeit der geschäftsführenden Gesellschafterin sind in den Personalkosten angemessen berücksichtigt. Der Gewinn (vor Steuern) beträgt + 60.000 €.

Somit liegt die Kostendeckung bei 108,11%. Dies errechnet sich aus

800.000 € 740.000 € x 100% = 108,11%

Die Umsatzrendite liegt bei 7,5%.

Diese errechnet sich aus dem Gewinn dividiert durch den Umsatz

60.000 € 800.000 € x 100% = 7,5%

Beispiel Einzelunternehmen

Bei einem Pflege- und Betreuungsdienst als Einzelunternehmen ist der Gewinn abzüglich des kalkulatorischen Unternehmerlohns anzusetzen. Das bedeutet, die Tätigkeit der Pflegedienst-Inhaberin muss fiktiv bewertet werden. Hat z.B. eine vergleichbare angestellte Leitung Brutto-Personalkosten von 50.000 €, so sind mindestens diese anzusetzen. Da die Inhaberin sich sicher ist, dass sie durchschnittlich 12 Stunden pro Tag arbeitet, sind in diesem Fall sogar 75.000 € als Abzug möglich.

Der ambulante "Pflegedienst Carola Müller"weist folgende Daten auf.

100 Patienten mit 800.000 € Umsatz im Jahr 2016 Personalkosten in Höhe von 550.000 € und Sachkosten von 120.000 € = Gesamtkosten von 670.000 €. Die kalkulatorischen Personalkosten für die Tätigkeit der Inhaberin hinzugerechnet [75.000 €] bedeutet das Gesamtkosten von 745.000 € und ergibt einen Gewinn (vor Steuern) in Höhe von + 55.000 €.

Die Umsatzrendite liegt bei 6,9%. Diese errechnet sich aus dem Gewinn dividiert durch den Umsatz

  55.000 € 800.000 € x 100% = 6,88%

Die beiden Beispiele machen deutlich, dass die Umsatzrendite teilweise schwer exakt zu ermitteln ist, und dass "schnelle" Vergleiche erst einmal genau auf die Definitionen bei der Ermittlung der Renditen geprüft werden sollten.

Kalkulatorische Wagnisse [Risikozuschlag] habe ich bei den beiden Beispielen weggelassen, um die Beantwortung der Fragestellung nicht zu komplizieren. Risikozuschläge können und müssen jedoch gemäß Urteilen von Sozialgerichten bei der Ermittlung der Ergebnisse durchaus berücksichtigt werden.

Kommen wir nun zum eigentlichen Problem bzw. zur Fragestellung.

Ist die Umsatzrendite überhaupt der richtige Maßstab?

Die Frage stellt sich insbesondere deshalb, weil für viele Investoren 5% oder 10% Umsatzrendite zu wenig erscheinen.

Tatsächlich hört man von Pflege- und Betreuungsdiensten, die Umsatzrenditen von 20% oder höher mach(t)en. Mag sein. Aber ganz ehrlich, zum großen Teil werden diese Gewinne zulasten der (schlechteren) Bezahlung der Mitarbeiter erzielt. Das wird nicht so weitergehen können.

Wie auch mein geschätzter Kollege Andreas Heiber immer wieder ausführt, gibt es inzwischen durch entsprechende BSG-Urteile und durch die neue gesetzliche Lage [PSG II und PSG III] die Möglichkeit, eine bessere und tarifliche Bezahlung in Vergütungsverhandlungen 1:1 zu berücksichtigen und durchzusetzen. Allerdings, dann müssen zur Durchsetzung dieser Forderungen gegebenenfalls anonymisierte Unterlagen [inkl. Personallisten] vorgelegt werden.

Unter Berücksichtigung von kalkulatorischen Risiken und unter Verwendung des kalkulatorischen Unternehmerlohns lässt sich seiner Ansicht nach eine hohe einstellige Umsatzrendite erzielen.

Da stimme ich ihm absolut zu. Und ich finde, das reicht auch.

Denn vermutlich ist die Verwendung der Umsatzrendite so oder so nicht der richtige Maßstab für die Bewertung, ob die Investition in einen Pflegedienst die richtige war oder ist?

Die Umsatzrendite istletztlich eine Betrachtung der Wirtschaftlichkeit.

Für Wohlfahrtsverbände und andere gemeinnützige Träger von Pflege- und Betreuungsdiensten bietet sich für die Beurteilung von Wirtschaftlichkeit die Kostendeckung an, für private Pflege- und Betreuungsdienste eher die Umsatzrendite. In beiden Fällen erschließt sich eine abschließende Beurteilung der Wirtschaftlichkeit erst durch eine tiefgehende Analyse der Prozesse und der Strukturen, und eine entsprechende Bewertung durch dafür geeignete Sachverständige.

Die Eigenkapitalrendite als Alternative zur Bewertung eines Investments

Kauft ein "Investor" den "Pflegedienst Carola Müller" mit den o.g. Daten zum Beispiel für 600.000 €, so ergibt sich im ersten Jahr ein Gewinn (vor Steuern) in Höhe von + 55.000 €.

Die Eigenkapitalrendite läge dann bei 9,2%. Diese errechnet sich aus dem Gewinn dividiert durch den Kaufpreis.

  55.000 €  600.000 € x 100% = 9,17%

In der Realität könnte es aber durchaus sein, dass die Gewinne höher sind, und die Eigenkapitalrendite dann durchaus bei 25% liegen kann. Dann wirkt der Hebel. Entscheidend ist dann der Kaufpreis und die Realisierung vorhandener und entdeckter Wirtschaftlichkeits-Potentiale. Deshalb ist die fachliche Begleitung bei der Übernahme eines Pflege- und Betreuungsdienstes so wichtig.

Und dann sind wir thematisch bei der uns allseits bekannten Geschichte um den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Josef Ackermann, der sein 25%-Ziel [Eigenkapitalrendite] immer vehement verteidigt hat: Quelle

Entscheiden Sie bitte selbst, ob Sie das für angemessen halten?

Fazit:

Angesichts der deutlich steigenden Löhne und Gehälter in der ambulanten Pflege werden alle Formen von Renditen tendenziell sinken. Bei vielen Pflegediensten lassen sich aber auch noch Wirtschaftlichkeitspotentiale in Form von Ergebnisverbesserungen erzielen.

Bitte nicht vermessen sein!

9% Umsatzrendite sind sehr gut, und bis zu 25% Eigenkapitalrendite: was will man mehr?

Alles, was darüberliegt, ist aus meiner Sicht auf Dauer unrealistisch, wenn nicht sogar unseriös entstanden.

Ich freue mich auf Ihre angemessenen, konstruktiven und weiterführenden Anmerkungen zu diesen Fragestellungen.

Ihr Thomas Sießegger

Sießegger SozialManagement Verwaltung optimieren im ambulanten Dienst