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Verbände kritisieren immer noch fehlende Refinanzierung höherer Löhne
Mit der zum 1. September 2022 geltenden Verpflichtung für Pflegeeinrichtungen ihre Mitarbeitenden nach Tarif zu bezahlen, sollen die Gehälter für viele Pflegekräfte in der Altenpflege erheblich steigen. Das Bundesgesundheitsministerium rechnet bei privaten Einrichtungsträgern je nach Bundesland und Einrichtung mit einer Gehaltssteigerung zwischen 10 und 30 Prozent. Kritik gibt es an der Verhandlungspraxis der Kassen.

“Die PrivatenEinrichtungen haben sich mit großem Engagement unter Zeitdruck um die Umsetzungder Tarifpflicht gekümmert, nachdem die Bundesregierung selbst alle Fristenversäumt und für unnötigen Zeitdruck gesorgt hat. Auch die Pflegekassen habendavor gewarnt, dass die Neuverhandlung zehntausender Versorgungsverträge soschnell nicht gelingen kann, und sich für eine deutliche Fristverlängerung beider Umsetzung ausgesprochen“, berichtet der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa), Bernd Meurer. Zugleich hätten bei der Umsetzung einige Kostenträger nach Kräften gebremst.
“Überwiegend ist die Selbstverwaltung in schwierigen Verhandlungen zumindest zu Übergangsregelungen bis zum Ende des Jahres gekommen. Auch wenn in vielen Fällen die formalen rechtlichen Voraussetzungen neuer Versorgungsverträge aufgrund des enormen Zeitdrucks durch die Pflegekassen noch nicht umgesetzt wurden, der Wille, pragmatische Lösungen zu finden, ist unverkennbar“, so Meurer weiter.
So würden aus bpa-Sicht die Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern sich weigern, die versprochenen Tariflöhne für die Mitarbeitenden in ambulanten Pflegediensten durch höhere Refinanzierungen zu ermöglichen. Der bpa befürchtet, dass die Verhandlungen mit den Krankenkassen deshalb kurzfristig scheitern. „Die Blockade der Krankenkassen ist unverständlich“, sagt der stellvertretende bpa-Landesvorsitzende Raik Radloff. „Bei identischer Argumentation haben zuvor die Pflegekassen der notwendigen Refinanzierung zugestimmt. Die Krankenkassen mauern hingegen und wollen offensichtlich nicht ermöglichen, dass den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Entlohnung für deren gute Leistung gezahlt werden kann.”
Die Krankenkassen würden sich gegen eine landesweite Anpassung der Refinanzierung sperren. „Die von der Bundesregierung versprochene neue Gehaltsstruktur für Mitarbeitende in Pflegeeinrichtungen ist damit kurz vor dem Start am 1. September 2022 nur zur Hälfte gesichert“, stellt Radloff klar.
Als “Skandal” hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) drohende Preissteigerungen infolge der neu vorgeschriebenen Tarifbezahlung in der Altenpflege kritisiert. Dazu dürfe es nicht kommen, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. “Tariftreue ist eine gute Nachricht für die Beschäftigten in der Pflege, die schon viel zu lange auf faire Löhne gewartet haben. Die Kosten dafür jetzt den Pflegebedürftigen und ihren Familien anzulasten, ist aber ein Skandal“, so Piel.
Anlässlich des Inkrafttretens des sogenannten Tariftreuegesetzes für bessere Löhne in der Altenpflege hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Regelung verteidigt. Das sei ein später Dank für alle aktiven Pflegekräfte und ein gutes Zeichen an alle, die diesen wichtigen und erfüllenden Beruf ergreifen wollten. „Die Gesellschaft muss diese Leistung besser honorieren“, sagte Lauterbach.
Zuletzt gab es Warnungen unter anderem vom Sozialverband VdK, dass diese Mehrkosten nun an die Pflegebedürftigen weitergereicht werden. Der 1. September könne zum „Doomsday“ für Pflegebedürftige werden, hatte VdK-Präsidentin Verena Bentele erklärt. Die Preissteigerungen lägen bei 30 bis 40 Prozent, sagte Bentele, die der Politik vorwarf, die eigentlich begrüßenswerte tarifliche Bezahlung nicht gegenzufinanzieren.
Das Bundesgesundheitsministerium verwies unter anderem auf die Erhöhung der Leistungsbeiträge in der ambulanten Pflege. Zudem seien die Pflegekassen verpflichtet, die steigenden Lohnaufwendungen bei der Vergütung von Pflegeleistungen zu berücksichtigen, heißt es in der Mitteilung des Ministeriums.
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