Blog

Vor- und Nachteile von Gehaltstransparenz in Stellenanzeigen

Stellenanzeigentransparenzgesetz: Wortmonstrum für einen sinnvollen Arbeitsmarkt-Hebel?

Ein Wort- und Abkürzungsmonstrum allemal: das StAnzTransG oder ausgeschrieben “Stellenanzeigentransparenzgesetz”. Dabei handelt es sich um einen aktuellen Gesetzesentwurf vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Oder um bei den Abkürzungen zu bleiben: vom BMAS. Das Entgelttransparenzgesetz sei gescheitert.  Für mehr Fairness in der Entlohnung von Arbeitnehmern will die Bundesregierung nun die Gerechtigkeits-Brechstange ansetzen. Der wichtigste Aspekt des neuen Gesetzentwurfes: Arbeitgeber müssen in Stelleninseraten konkret benennen, welches Gehalt für den ausgeschriebenen Job bezahlt wird. Und dafür führt das BMAS logisch nachvollziehbare Argument an:

- Giovanni Bruno ist Online-Unternehmer, Berater für digitale Kommunikation und CEO der fokus digital GmbH

StAnzTransG – Nivellierung von Gender-Gehaltsunterschieden durch Umkehrschluss

Wenn ein Markt-Instrument nicht funktioniert, die Zielsetzung aber definiert ist, muss ein neuer Weg her. Mit einer solchen Absicht will das Stellenanzeigentransparenzgesetz die Polit- und Arbeitswelt betreten. Seit Jahrzehnten wird um geschlechterübergreifende Gleichberechtigung in der Entlohnung gekämpft: Gleiches Geld für gleiche Arbeit. Auf diese Bemühungen soll nun das Stellenanzeigentransparenzgesetz folgen. 

Erfolgreich soll es durch den logischen Umkehrschluss sein. Was mit konkreten Zahlen in der Öffentlichkeit benannt wird, kann per se keine Gender-Unterschiede mehr beinhalten. Steht das Gehalt für eine Stelle direkt im Stelleninserat, kann der Personaler beim Vorstellungsgespräch keine zwei verschiedenen Gehaltstüten aus der Schreibtischschublade zücken. So die Theorie. 

Fragwürdige Aspekte – Stellendefinition wird mechanisch simplifiziert

Laut der Staatssekretärin des BMAS soll das Gesetz sicherstellen, dass Mitarbeiter jeglichen Geschlechts und vollkommen unabhängig von ihrer Vorbildung dasselbe Gehalt bekommen. In den Mittelpunkt gerückt wird mit dieser These der Wert vordefinierter Arbeit aus der Stellenbeschreibung. Ausschließlich was die Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz festgeschrieben zu leisten haben, sei wichtig. Eine Vorstellung, die unter Gender-Aspekten sicherlich sinnvoll und nachvollziehbar ist. 

Fragwürdig allerdings, dass zugleich die bisherigen Prinzipien von Bildung und Leistungsgesellschaft auf den Kopf gestellt werden. Außerdem ist – für beide Seiten – kein Spielraum mehr vorhanden. Gerade in klein- und mittelständischen Unternehmen ist der Umfang einer Tätigkeit nicht immer in Stein gemeißelt. Rudimentär ausgedrückt: Bewirbt sich auf die Stelle eine potenzielle Arbeitnehmerin mit weitaus höherer Vorbildung, kann das Unternehmen sie nicht einfach an den Vorkenntnissen und der Berufserfahrung orientiert höher bezahlen. Das Gehalt steht unumstößlich fest.

Dasselbe gilt für Personen, die man durchaus gerne einstellen würde, aber nicht dem geforderten Ausbildungsniveau entsprechen. Zumal das Korsett straff angezogen ist, erhalten solche Kandidaten keine Chance. Die Spontaneität in der Personalentscheidung bleibt auf der Strecke. Enden könnte das darin, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass konkrete Stellenbewerbungen zu Initiativ-Bewerbungen umformuliert werden. Damit wäre der Gesetzesentwurf ebenfalls nicht das Papier wert, auf dem er geschrieben ist.

Vorteile für Arbeitnehmer – Fairness, Gleichberechtigung und Verhandlungssicherheit

Arbeitnehmer wünschen sich nicht nur die Gehaltstransparenz, sondern auch Stellenanzeigen mit konkreten Gehaltsangaben. Und zwar sehr mehrheitlich. Viele Ungereimtheiten ließen sich damit von vornherein klären. In jeder Branche – so auch und gerade in der Pflegebranche – existieren hinsichtlich der Entlohnung Erfahrungswerte und bekannte Gehaltsstatistiken. Wie gut oder schlecht ein Betrieb bezahlt, ist damit noch lange nicht geklärt. Das zeigt sich oftmals frühestens beim Einstellungsgespräch, wenn es beim Recruiting um die finale Frage geht: "Was haben Sie sich denn vorgestellt?" Ein nicht selten unwürdiges bis enttäuschendes Vabanque-Spiel. Pokert der Bewerber zu hoch, bekommt er die Stelle nicht; setzt er den Gehaltswunsch zu niedrig an, kriegt er oder sie vielleicht die Stelle, aber weniger Gehalt, als möglicherweise drin gewesen wäre. Die verdeckten Karten liegen beim Personaler.

Vermeiden ließen sich ebenso die still-schweigenden Gedanken innerhalb des Kollegiums: Verdient die Kollegin genauso viel wie der Kollege? Gibt es Absprachen zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer, die dem- oder derjenigen auf der anderen Seite des Schreibtisches unbekannt bleiben sollen? Zwischen Arbeitnehmern ist die Frage nach dem Gehalt noch immer schambehaftet. Klar, egal welche Antwort man gibt oder hört, es wird in den meisten Fällen immer unangenehm sein. Weshalb bei gleicher Arbeit und Arbeitsbelastung unterschiedliche Gehaltsstufen aufgerufen werden, bleibt den Arbeitnehmern mit heutigem Zeitgeist unerklärlich.

Vorteile für Arbeitgeber – minimierter Recruiting-Aufwand bei deutlichen Wettbewerbsvorteilen

Ein personalwirtschaftliches und arbeitsmarktkonformes Umdenken könnte für Arbeitgeber immense Vorteile bedeuten. Auf der einen Seite steht, die höhere Effizienz bei der Auswahl der Bewerber inklusive der Vorstellungsgespräche und administrativen Abwicklung. Leicht nachvollziehbar, bei einer öffentlich transparenten Gehaltsangabe werden sich mit geringen Abweichungen nur solche Kandidaten bewerben, die mit der Entlohnung einverstanden sind. Die Bewerbersuche wird automatisch passgenauer. Es werden auf diesem Wege keine Personen rekrutiert, die sich unterbezahlt oder überqualifiziert fühlen. 

Was tun, falls sich auf die inklusive Gehaltsangabe ausgeschriebene Stelle niemand bewirbt? Ausschlaggebend dafür kann sein, dass sie schlicht zu niedrig dotiert ist, der Arbeitgeber also exakt an diesem Zahnrad schrauben muss. Ein direkteres und unmissverständlicheres Feedback kann es kaum geben. 

Für Unternehmen mit vorbildlicher Gehaltsstruktur bedeutet das Stellenanzeigentransparenzgesetz einen definitiven Wettbewerbsvorteil; einen, den sie bislang in der Öffentlichkeit nicht ausspielen konnten. Potenzielle Bewerber konnten gute und vor allem gleichberechtigte Gehälter bisher allenfalls vermuten. Aufgrund der inflationären Aussage der "leistungsgerechten Bezahlung" in Stelleninseraten wurden die Angabe schon als nicht mehr glaubhaft empfunden, vielmehr als lockende Werbestatements. 

Über die Grenzen geblickt – Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt kann funktionieren

Andere Länder machen es seit über einer Dekade erfolgreich vor. Schon im Jahr 2007 wurden dänische Unternehmen mit mehr als 35 Mitarbeitern verpflichtet, die Gehälter offenzulegen. Das politische Konstrukt nannte und nennt sich Equal Pay Act. Seit Umsetzung dieser arbeitsmarktregulierenden Maßnahme hat sich die klaffenden Gehaltsschere zwischen Mann und Frau erheblich geschlossen. Das heißt: Es funktioniert. 

Fazit

Was in anderen Staaten teils längst zur gelebten Selbstverständlichkeit geworden ist, liegt hierzulande noch auf der soziologischen und arbeitsmarktpolitischen Entscheidungs-Halde brach. So wie Deutschland beispielsweise in der Digitalisierung oder der E-Mobilität im Ländervergleich unter "ferner liefen" auftaucht, zeigt sich das auch beim öffentlich transparenten Umgang mit Gehältern. Freiwillige Gehaltstransparenz scheint im Kollegium geradezu schambehaftet zu sein, vielleicht auch ein Druckmittel der Arbeitgeber in Bewerbungsgesprächen. Durch das Stellenanzeigentransparenzgesetz könnte hierzulande ein richtiger Schritt zu geschlechterübergreifend gleichberechtigter Bezahlung gegangen werden. Allerdings ist und bleibt es immer ein mindestens zweischneidiges Risiko, wenn mit einem Brechstangen-Instrument in einen Markt eingegriffen wird. Das StAnzTransG scheint ein Konstrukt mit unbedingt löblichen Absichten, bei dem die Unternehmen allerdings schnell nach mehr Bewegungsspielraum und individueller Auslegung rufen würden.